Erläuterungen zur App
Die App möchte auf einfache Weise die Öffentlichkeit für das Problem sensibilisieren, dass die Flüsse des Vogelsbergs immer häufiger vollständig austrocknen. Aufgrund des Klimawandels sowie des massiven Exportes von Grundwasser in angrenzende Ballungszentren wird das für Flora und Fauna lebensnotwendige Wasser immer rarer.
Die App stellt die Flüsse des Vogelsberges in unterschiedlichen Farben und zu unterschiedlichen Zeitpunkten dar. Die Farben stehen für die Wassermenge, die zu diesem Zeitpunkt im Fluss vorhanden ist: vom Hochwasser bis zum total ausgetrockneten Bachbett. Die Bedeutung der Farben ist in der Legende erläutert.
Die zugrundeliegenden Daten stellt das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) bereit. Es betreibt im Vogelsberg ca. 50 Messstationen, an denen täglich Pegelstände und Durchflussmengen erfasst werden. Der ursprüngliche Zweck dieses Monitorings ist die Warnung vor Hochwassern. Daher befinden sich die Stationen vorwiegend im Mittel- und Unterlauf der Flüsse. Die Situation an den Oberläufen wird nur unzureichend kontrolliert. Aber gerade die Oberläufe sind am stärksten von Austrocknung betroffen.
Die Messstationen sind als Kreise dargestellt. Klickt man darauf, erhält man für die gewählte Station die exakten numerischen Werte zu Pegelstand und Durchflussmengen sowie einen Link zu einer alternativen Darstellung.
In der App kann man eine Zeitreise in die Vergangenheit unternehmen, indem man den Schieberegler nach links und rechts bewegt. Alternativ kann man über die darunter befindlichen Buttons um jeweils 1 Tag, 1 Woche, 1 Monat oder 1 Jahr vor- und zurückspringen.
Weiterhin sieht man die von Kommunen und Wasserverbänden entnommenen Grundwassermengen. Sie sind in Form von blauen Säulen unterschiedlicher Höhe dargestellt.
Über den rechts oben befindlichen Menü-Button kann man verschieden Farben auswählen, die Anzeige der Grundwasserentnahme an- und abstellen sowie weiterführende Informationen abrufen.
Wassermangel und Hochwasser
Was wir beobachten
Im Zuge des Klimawandels sehen wir den Anstieg der mittleren Temperatur sowie das gehäufte Auftreten von Extremwetterlagen wie langen Trockenphasen gefolgt von kurzen, aber heftigen Starkregenereignissen.
- Dies bedeutet für Böden und Flüsse, dass sie immer öfters überfordert sind. Auf ausgetrockneten Böden können keine Pflanzen keimen oder wachsen, in ausgetrockneten Bächen können keine Fische, Larven oder andere Wasserbewohner überleben. Pflanzen im Uferbereich und angrenzenden Auen vertrocknen.
- Starkregenereignisse (sehr viel Niederschlag innerhalb weniger Stunden) führen zwangsweise dazu, dass ein erheblicher Teil des Regens oberflächlich abläuft anstatt zu versickern. Dieser Effekt wird noch gesteigert, falls der Boden zuvor ausgetrocknet wa, denn feuchte Böden nehmen schneller Oberflächenwasser auf als ausgetrocknete. Die nach solchen Starkregenereignissen in Bächen und Flüssen ankommenden großen Wassermengen sorgen immer öfters für sogenannte "Jahrhundert"-Hochwasser, z.B. 2014 in Wallernhausen oder 2021 in Stockheim und im Ahrtal.
- Die Grundwasserspiegel sinken ab, was zu Problemen bei der Trinkwasserversorgung der Bevölkerung bis hin zum gänzlichen Vertrocknen von Brunnen führt. So musste z.B. im Sommer 2018 Ullrichstein mittels Tanklastzügen mit Trinkwasser versorgt werden.
Quelle: PD Dr. Hans Jürgen Hahn
- Die Qualität des Grundwassers nimmt Schaden, da es immer öfters zu Schadstoffeinträgen kommt. Das liegt an einer Umkehrung der Sickerrichtung. Unter normalen Bedingungen liegt der Grundwasserspiegel in Talauen überden Flüssen, sodass das Grundwasser in den Fluss quillt. Sobald aber der Grundwasserspiegel unter das Flussniveau absinkt, drückt das Flusswasser in das Grundwasser und transportiert seine Schadstoffe dorthin.
Quelle: PD Dr. Hans Jürgen Hahn
Verstärkt wird das Problem dadurch, dass Kläranlagen kontinuierlich das dort gereinigte Wasser in trocken fallende Bäche einleiten. Dieses Abwasser ist keineswegs frei von Schadstoffen, sondern enthält noch eine Fülle verbliebener Rückstände, z.B. von Medikamenten oder Pestiziden. Diese sickern dann in das Grundwasser und gelangen somit unter Umständen bis in unser Trinkwasser.
Was wir wissen
Die Ursachen für die beobachteten Phänomene sind seit langem bekannt.
- Im Zuge des Klimawandels steigt die mittlere Temperature der Atmosphere und der Meeresoberflächen. Es verdunstet mehr Wasser, die Luftfeuchtigkeit steigt und die Wahrscheinlichkeit von Extremwettern wird größer. Speziell für Westeuropa gilt, dass die Gesamt-Niederschlagsmenge leicht ansteigen, aber ihre Unregelmäßigkeit zur geringeren Grundwasserbildung führt.
- Durch Siedlungs-, Industrie- und Straßenbauten steigt die Versiegelung in Deutschland um täglichca. 50 Hektar. Die Niederschlagsmengen dieser Flächen werden zu größten Teil kanalisiert und gelangen direkt oder über Kläranlagen in Bäche und Flüsse. Dort verstärken sie die Hochwassergefahr, gleichzeitig fehlen sie im Grundwasser.
- Die Flurbereinigungen der Vergangenheit entfalten ihre Wirkung nach wie vor. Sie führen u.a. zu schneller und gründlicher Ableitung von Niederschlägen aus landwirtschaftlich genutzten Flächen und wirken ähnlich wie die zuvor genannte Versiegelung. Das Gleiche gilt für die in der Vergangenheit durchgeführten Flussbegradigungen.
- Große Ballungszentren wie z.B. das Rhein-Main-Gebiet verbrauchen immer mehr Wasser, welches vorrangig im Umland gefördert wird. Dort sinken die Grundwasserspiegel aufgrund der verstärkten Grundwasser-Entnahme.
Was wir unternehmen können
- Maßnahmen zur Begrenzung des globalen Klimawandels sind so vielfältig, dass sie hier nicht aufgelistet werden können.
- Reduzierung des Flächenverbrauchs, Entsiegelung von Flächen, Versickerung des Regenwassers der versiegelten Flächen.
- Bereitstellung und Nutzung von Betriebswasser anstelle von Trinkwasser (Toiletten, Garten, Parks, ...): doppeltes Leitungssystem der Kommunen und in Gebäuden; Einbau von Zisternen.
- Renaturierung von Fließgewässern: Dezentrale Maßnahmen wie Rückbau der Begradigungen, neue Grabentaschen, Mäandrierungen, ... zur Verlangsamung des Abflusses von Oberflächenwasser und - dadurch bedingt - stärkerer Versickerung, Grundwasserneubildung und reduzierter Hochwassergefahr.
- Reduzierung des Wasserexportes in Ballungsgebiete. Stattdessen stärkere Eigenversorgung in den Ballungsgebieten.
- Begrenzung der Grundwasserentnahme, sobald Mindest-Grundwasserstände gefährdet sind.
- Progressive Tarife für den Bezug von Trinkwasser: der Grundbedarf kostet einen bestimmten Betrag je m3, die darüber hinausgehende Menge ist teurer.
- Erstellen regionaler Wasserbilanzen.
Organisationen, Publikationen
Schutzgemeinschaft Vogelsberg: Verein mit Sitz in Schotten (Vulkaneum)
IG Wasser: Verein mit Sitz in Birstein
Naturschutzgroßprojekt Vogelsberg: Verein mit Sitz in Lauterbach
Bergwaldprojekt: Wiedervernässung
crowd water: App zur Datenerfassung für jedermann
Kreisverwaltung (Vogelsbergkreis)
Artikel: Trockene Bäche (2018)
Artikel: Wasserentnahme (2019)
Artikel: Wasserentnahme (2020)
Artikel: Wasserentnahme (2022)
Artikel: Wasserentnahme (2023)
Hessenwasser: Thema 'Wassergewinnung'
EUWID: Fachpublikationen der Wasserwirtschaft